Die Baustelle.

Vorwort

Ein Museum verstanden als ein aktiver Teil einer demokratischen Gesellschaft, ein Ort, an dem über gesellschaftliche Themen verhandelt wird, muss Platz haben und Platz machen, für Menschen. 

In unserem Projekt „Die Baustelle. Aus Konservierung wird Konversation“ haben wir uns folgende Fragen gestellt: 

  • Wie kann ein Museum ein demokratischer Ort werden?
  • Wie kann Wissens- und Deutungsmacht geteilt werden? 
  • Wie kann ein Museum ein Ort für gemeinsame Erinnerungen in einer diversen Gesellschaft werden? 
  • Wie können verschiedenen Stimmen eingebunden werden, ohne dass es sich um plakative und einmalige Augenblicke handelt? 
  • Wie sieht ein demokratischer Ort in der Praxis aus? 

Große Fragen, die uns zu Beginn des Vorhabens im Kopf schwirrten, und mit denen wir uns auf den Weg gemacht haben. 

Unsere Hauptidee bestand darin, dass wir zum Einen eine rassismuskritische Führung konzipieren und Besucher:innen um Rückmeldungen zur Idee und Durchführung bitten. Dabei stand die Frage im Fokus, wie dem weiß dominierten Narrativ  von der Entdeckung neuer Kontinente durch europäische Seefahrer entgegengewirkt werden kann. Mit der geplanten Führung sollte ein Versuch gestaltet werden, die Dauerausstellung in ihrem jetzigen Zustand gegenzulesen. 

Die Führung sollte nicht nur einen Einblick in oft unerhörte Geschichten geben, sondern durch Beispiele über den Umgang mit Objekten/Subjekten das enge Verhältnis zwischen vergangener rassistischer kolonialer Gewalt und heutigen Kämpfen um Antidiskriminierung, Restitution und Reparation beleuchten. Zum Anderen haben wir eine literarischen Intervention organisiert, mit Lesungen und einem Audioguide, der sowohl in dieser Publikation als auch online aufzufinden ist. 

Literatur ist eine Kunstform, die die Menschlichkeit in all ihren Facetten zeigt, in ihren Abgründen und altruistischen Momenten, in Momenten der Aufgabe und der Behauptung. Literatur zeigt Welt und Menschlichkeit in ihren Möglichkeiten: In dem, was ist, was nicht ist, was hätte sein können, was nicht hätte sein dürfen und doch so war. Und darum sind wir froh, Texte von Sharon Dodua Otoo, Senthuran Varatharajah, Prof. Dr. Peju Layiwola, Gisela Casimiro und Robin Coste Lewis präsentieren zu können. Die Texte der drei letzt genannten Autorinnen sind dank der Übersetzungen von Alexander Estis, Odile Kennel, Beatrice Cordier und Laurine Irmer auch auf Deutsch verfügbar. 

Um das Museum zu einem Ort für Menschen zu machen, gilt es auch die Unmenschlichkeiten sichtbar zu machen, die diesen Ort ermöglicht haben. Nicht die Dinge, die überlebt, die wir mitgenommen haben, nicht die Objekte touristischer, scheinwissenschaftlicher Gier sollten in einem ethnologischen Museum ausgestellt werden, sondern die Zerstörung der Wohnviertel, Menschen und Sprachen, die Entweihung von Heiligen Orten, menschlichen Werten und sozialen Versprechen sollten wir ausstellen. „Denn es war gewollt, dass eine Stille entsteht, wo unsere Lieder, Gedichte, Geschichten und epische Romane hätten sein sollen. / Es war gewollt, dass unsere Schreie hinter einer Glaswand verschwinden, übertönt von hämischem Gelächter, vom Blinken gieriger Kinderaugen und mit diversen Katalognummern versehen. / Es war gewollt, dass meine Ahn*innen hierzulande kein Gehör finden. Doch sie sprechen.“ (S. D. Otoo).

Wir sollten an einem Museum bauen, in dem die Geschichten der Menschen, ihre Sprachen, ihre Beziehungen, ihre Weltsichten, ihre Religionen, ihre Sicht auf die Geschichte und auf die Gegenwart sichtbar, hörbar, fühlbar werden. Ein Museum der Menschen der Welt. Das Betreten der Baustelle ist erwünscht. 

Die folgende Veröffentlichung besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil gibt Einblick in die Projektinhalte, der zweite präsentiert den Text- und Audioguide. Im Anhang sind das Begleitheft zur antirassistischen Führung von Ricardo Márquez García beigefügt sowie eine Fotodokumentation des Gesamtprojektes. 

Wir danken allen Beteiligten außerhalb und innerhalb des Rautenstrauch-Joest-Museums  für die Ideen, das Engagement und die Unterstützung unseres Vorhabens sowie dem Fonds Soziokultur für die finanziellen Mittel. 

Und freuen uns auf die weiteren Schritte, die noch zu gehen sind. 

Elizaveta Khan und Jonas Linnebank

Die folgende Veröffentlichung besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil gibt Einblick in die Projektinhalte, der zweite präsentiert ist der Guide. Im Anhang gibt es Fotos und Textausschnitte zu der Antirassistischen Führung von Ricardo Márquez García.

Wir danken allen Beteiligten für die kreativen Ideen, das Engagement und die Unterstützung unseres Vorhabens sowie dem Fonds Soziokultur und freuen uns auf die weiteren Schritte, die noch zu gehen sind.

Herausgebende Organisationen:

Integrationshaus e.V.

Ottmar-Pohl-Platz 5

51103 Köln

www.ihaus.org

0221-99745752

Kunts e.V.

c/o Linnebank

Marbergweg 99

51107 Köln

www.kliteratur.de

Graphik: Salman Abdo und Fadi Elias

Redaktion: Jonas Linnebank, Elizaveta Khan, und Carla Prassel

\ Diese Publikation entstand im Rahmen des Projekts „Die Baustelle. Aus Konservierung wird Konversation“. Ein Projekt des Integrationshaus e.V. und des KUNTS e.V. in Koooperation mit dem Rautenstrauch-Joest-Museum.

\ Das Projekt wurde gefördert durch den Fonds Soziokultur aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen von NEUSTART KULTUR.

Köln, Dezember 2022

Die Handreichung gibt es als download hier: Guide zur Dauerausstellung des Rautenstrauch-Joest-Museums

Die Baustelle.