Die Baustelle.

Rassismus als wirkmächtiges Merkmal unserer Gesellschaft 

Rassismus ist ein unsere Gesellschaften strukturierendes Merkmal. Die Ausprägungen auf struktureller, institutioneller und individueller Ebene betreffen alle Mitglieder unserer Gesellschaft.

Rassismus ist funktional – er nutzt den Einen und schadet den Anderen. Hierfür werden die Anderen abgewertet, benachteiligt und ausgegrenzt. So wurde im Kontext des Kolonialismus die ‚Rasse‘-Konstruktion eingeführt, um die Schwarze Bevölkerung als primitiv und unzivilisiert darstellen zu können, sie abzuwerten, mit dem Ziel, ihre Ausbeutung zu rechtfertigen. Bezogen auf aktuelle Verhältnisse differenziert Birgit Rommelspacher (Rommelspacher, 2009: S. 30ff.) zwischen strukturellem, institutionellem und individuellem Rassismus. Während der strukturelle Rassismus im gesellschaftlichen System, in seinen Rechtsvorstellungen und politischen sowie ökonomischen Strukturen Benachteiligungen und Ausgrenzungen bewirkt, bezieht sich der institutionelle Rassismus auf Organisationen mit ihren Strukturen, Handlungsroutinen und Wertevorstellungen. Auf persönlichen Handlungen und Einstellungsmustern beruht der individuelle Rassismus, der sich in der direkten persönlichen Interaktion offenbart (Müller, 2019: S. 35). 

Wie wir alle von Rassismus betroffen sind, 

  • beeinflusst unsere Perspektive auf ihn, 
  • wie wir mit ihm umgehen, 
  • sowie welche Möglichkeiten, 
  • aber auch Grenzen und Schwierigkeiten damit verbunden sind. 

In einer durch Rassismus gekennzeichneten Gesellschaft sind es weiß positionierte Menschen, die von Rassismus bewusst oder unbewusst profitieren.

Aber: Nicht Individuen sind das Problem, sondern die gesellschaftlichen Strukturen, die Privilegien für weiße Menschen mit sich bringen:

„Rassismus lenkt unsere Wahrnehmung, unsere Deutung und unsere Verarbeitung von sozialen Informationen. Rassismus als System besteht aus alltäglichen Wahrnehmungshilfen, genauer: aus Wahrnehmungsfiltern. Diese Filter bestimmen, wie wir soziale Gehalte einschätzen oder Situationen bewerten, wie wir auf zwischenmenschlicher Ebene agieren oder welche kollektiven Bezugnahmen für uns von Bedeutung sind. Rassismus beeinflusst und strukturiert diese Filter, denn er beruht auf sozial erlerntem und immer wieder neu hergestelltem Wissen über gesellschaftliche Gruppen und deren Angehörige. Ob diese Gruppen tatsächlich existieren, ist nicht relevant. Es geht vielmehr darum, sie eindeutig voneinander unterscheidbar zu machen, das heißt eine Differenz zu etablieren und aufrechtzuerhalten“  

(Auma, 2018: S. 2)

Räume für alle von allen? 

Professionelle Haltungen in der Arbeit vor Ort entstehen allerdings nicht im luftleeren Raum, sondern im gesellschaftlichen und institutionellen Kontext. Gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen haben dabei einen großen Einfluss. Auf der einen Seite werden Angebote zur Teilhabe und Inklusion gefordert und gefördert. Auf der anderen Seite sollen diese nicht allen zur Verfügung stehen. Bspw. sind Menschen, die mit einer Duldung in Deutschland leben, von vielen Angeboten ausgeschlossen.

Eine barrierearme Angebotsstruktur zahlreicher Angebote, die tatsächlich für alle offen sind, würde bedeuten, dass Besucher:innen Räume finden, 

  • an denen sie sich nicht in Frage gestellt werden, 
  • wo sie Identifikationsmöglichkeiten finden, 
  • wo sie mitmachen können, wo ihre Meinung, 
  • ihre Kompetenzen und Ressourcen wahrgenommen und geschätzt werden,
  • und wo sie Rat und Unterstützung bekommen. 

Oft müssen aber für alle offenen Angebote aus Eigenregie und Eigenmittel organisiert werden.  So stehen Engagierte immer vor dem Dilemma, dass die Praxis nicht in die Teilnahmeliste passen mag. 

Ein Weg mit diesem Dilemma umzugehen, ist die Schaffung von Räumen: Räumen, in denen eine sicherere und vertrauensvollere Atmosphäre kreiert wird. Und Räumen, in denen eine Reflexion über die eigene gesellschaftliche Position möglich ist. Solche Räume sind deswegen immer Mittel zum Zweck und kein Selbstzweck. Bei der Schaffung verschiedener Räume bei einer Veranstaltung, Arbeitstreffen, Organisationstreffen etc. ist es wichtig, nach den getrennten Räumen, auch wieder zusammenzukommen, und sich nicht über die Inhalte in den jeweiligen Räumen auszutauschen, sondern eher damit, warum es wichtig war, solche Räume zu haben, welche Stärke daraus gezogen werden kann. Es geht nicht um Separation, sondern um die Gestaltung von diskriminierungsärmeren, rassismusfreieren, machtkritischeren und fehlerfreundlicheren Austauschräumen.

Gerade in den ehrenamtlichen Strukturen der jeweiligen Zentren existieren so etwas wie Safer Spaces, ohne dass diese explizit so benannt werden. Und es werden explizit Safer Spaces und Empowermenträume angeboten. Durch die Kooperationen mit verschiedenen Einrichtungen als auch durch die Veränderung der Teamzusammensetzungen werden verstärkt auch die Themen Critical Whiteness und Privilegien in den Zentren diskutiert. 

Schauen wir uns also an, was Safer Spaces und Reflexionsräume für weiß positionierte Menschen sein können. 

Dieser Artikel ist Teil unserer Publikation: “Handreichung: „Handlungsleitende Prinzipien. Safer Spaces für Schwarze Menschen, People of Colour und Indigenous People schaffen. Reflexionsräume für weiß positionierte Menschen initiieren” Weitere Informationen finden Sie hier

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