Awareness bei Veranstaltungen
Ihr braucht Unterstützung bei Euren Veranstaltungen? Im Folgenden stellen wir Euch unseren Ansatz für ein Awareness-Konzept bei Veranstaltungen vor:
Vorab
Rassismuskritische und migrationssensible Angebote initiieren, bestehende Angebote unter die Lupe nehmen, und sich auf den Prozess einlassen, innere und äußere Widersprüche und Widerstände zu thematisieren, diese auszuhalten und konstruktiv aufzulösen – das ist harte Arbeit, und ein Prozess, der niemals abgeschlossen ist: “Rassismuskritik bedeutet seitens weißer Personen in besonderem Maße andauernde Selbstkritik und Reflexion … Gefühle wie Wut, Schuld und Scham können immer wieder auftreten. Doch je mehr wir unsere Verunsicherung und unser Unwohlsein verstehen und aushalten lernen, desto einfacher wird es uns fallen, uns trotz bzw. in diesem Unbehagen wohl zu fühlen und zuversichtlich gegen Rassismus einzutreten, anstatt permanent daran zu arbeiten „nicht rassistisch zu sein“ (Bönkost 2017). Zu rassismuskritischer Reflexion gehören Diversitätssensibilität und das Bewusstsein um die eigene Verwobenheit auf individueller, sozialer und struktureller Ebene in Bezug auf Diskriminierung und Rassismus. Dabei sind Kompetenzen wie Ambiguitäts- und Widerspruchstoleranz gefragt. Wir haben uns gefragt: Wie können Räume dafür geschaffen werden, ohne ganze Veranstaltungen, Workshops etc. zu “sprengen”, und möglichst ohne, dass es auf Kosten von Diskriminierung und Rassismus negativ betroffene Personen geht?
Herangehensweise & Durchführung
Unser Team, bestehend in der Regel aus vier Personen unterschiedlicher Perspektiven und gesellschaftlicher Positionierungen, bringt diverse Erfahrungen aus den eigenen Biografien sowie der Arbeit für und mit verschiedenen Menschen und Organisationen mit. Wir verstehen uns dabei als unterstützende Struktur für die Veranstaltungen. Deswegen bezeichnen wir uns nicht als Awareness-Team, sondern als Support-Team. Zunächst besprechen wir uns mit den Veranstaltenden vor der Veranstaltung und empfehlen den Teilnehmenden ein Glossar mit relevanten Begriffen für die jeweilige Veranstaltung zu schicken sowie das Support-Team bekannt zu geben. Außerdem haben wir für die Veranstaltung einen Vorschlag für ein kollektives Verständnis erarbeitet, die wir aus verschiedenen Veranstaltungen und durch die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Kooperationspartner:innen zusammengetragen haben. Diese können ebenfalls vorab oder aber zu Beginn der Veranstaltung allen Teilnehmenden vorgestellt werden.
Ideen für Commitments vom Support Team
- Rassismuskritik bedeutet, historisch und strukturell tief verankerte Denkmuster zu durchbrechen.
- Diversitätssensibles und rassismuskritisches Handeln ist ein Lernprozess und hat kein abgeschlossenes Ziel, sondern stellt die Bereitschaft zu (ver)lernen in den Mittelpunkt.
- Die Verantwortung für die Gestaltung diskriminierungssensibler und rassismuskritischer Räume liegt bei allen Personen, die im Raum sind. Die Wirksamkeit von Handlungen und Interventionen sind je nach Machtpositionen und Einflussmöglichkeiten unterschiedlich.
- Wir werden allem niemals gerecht, aber wir versuchen unseren Anteil für eine solidarische, plurale Gesellschaft einzubringen.
- Aufgrund der unterschiedlichen Wissensbestände im Raum, gibt es für von Rassismus und Diskriminierung negativ betroffene Menschen einen Time-Out Raum. Und für alle einen Reflexionsraum für die Kommunikation von Irritationen und Fragen.
- Das Support Team unterstützt sowohl Veranstaltende als auch Teilnehmende bei Lernprozessen, beim Loswerden und Einordnen von Emotionen und bewertet nicht. Alles, was in den Räumen gesprochen wird, bleibt in den Räumen.
- Sollte explizit gewünscht sein, dass Rückmeldungen an Veranstaltende zurückgemeldet werden, wird das Support Team diese sammeln und der Nachbereitung zur Veranstaltung an die Veranstaltenden weitertragen.
Wir laden alle Teilnehmenden ein, folgende Vorschläge für die Gestaltung der Veranstaltung anzunehmen und bitten die Veranstaltenden diese auf Plakaten in den Veranstaltungsräumen anzubringen.
Raum für Time-Out- und Reflexion
Das Support Team benötigt bei Veranstaltungen zwei Räume. Einen Time-Out-Room für BIPoC only und einen Reflexionsraum für alle Teilnehmenden und Referierenden. Die Ausstattung der Räume sollte sich von Workshop Räumen unterscheiden, vor allem der Time-Out-Raum sollte einladend und gemütlich gestaltet sein. Empfehlenswert sind außer Stühlen, verschiedene Sitzgelegenheiten und neben Kaltgetränken auch die Möglichkeit der Zubereitung von Heißgetränken. Kleine Snacks und Musik sowie verschiedene Materialien und “Instrumente” für Empowerment und Entspannung werden vom Support Team bereitgestellt. Für den Reflexionsraum empfehlen wir Literatur zum Thema und ebenso Kaltgetränke und die Möglichkeit der Zubereitung von Heißgetränken. In beiden Räumen sollten auch Schreibutensilien vorhanden sein, ebenso Informationen zur Tagung. Die Räume werden nach der Begrüßung und ggf. Einführungsvorträgen geöffnet und sollten bis zu eineinhalb Stunden nach Veranstaltungsende geöffnet bleiben. So haben alle die Möglichkeit sowohl während der Veranstaltung als auch im Nachgang diese zu nutzen. Das Support Team achtet darauf, dass der Time-Out-Room nur von BIPoC positionierten Personen begleitet und genutzt wird. Weiterhin wird um die Einhaltung der vorher kommunizierten Vorschläge zur Gestaltung der Räume gebeten und darauf geachtet.
Erfahrungswerte
Die Entwicklung des Konzepts für das Support Team ist relativ neu, deswegen können wir gegenwärtig lediglich von drei Veranstaltungserfahrungen berichten. Festhalten können wir zunächst, dass die Einrichtung von zwei zusätzlichen Räumen die Zurverfügungstellung von Ressourcen bedeutet. Rassismuskritsches und diversitätssensibles Arbeiten bedeuten also Mühe und Ressourcen. Die Personen, die die Räume aufgesucht haben, berichteten von positiven Erfahrungen. Oft wurde zurückgemeldet, dass es guttat, etwas loszuwerden, Gedanken laut zu formulieren, sich zu beschweren. Die Möglichkeit, Verständnisfragen zu Begrifflichkeiten zu stellen, Literaturempfehlungen zu bekommen und auch Irritationen und Unverständnis zu äußern, ohne sich rechtfertigen zu müssen, wurde ebenso als sinnvoll bewertet. Die Schaffung der beiden Räume stellt für jede einzelne Person sowohl Schutz als auch die Möglichkeit zur Reflexion und Austausch dar. Das hat einen hohen Wert für Teilnehmende und Veranstaltende.
Gerne könnt Ihr Euch wegen weiterer Informationen an uns wenden: elizaveta.khan@ihaus.org