Am 14.11.2018 wurden wir mit dem Bilz-Preis und 5000,00 € Preisgeld ausgezeichnet. Die Bilz-Stiftung bedenkt seit 1998 die gemeinnützige Initiativen, die für Völkerverständigung und Minderheiten eintreten.
Der Preis ist eine Anerkennung für unseren Einsatz – für eine gerechte Gesellschaft der Vielfalt!
Wir freuen uns sehr darüber und bedanken uns vor allem bei allen Unterstützer*innen, allen Mitarbeitenden und Mitgestaltenden sowie den wunderbaren Besucher*innen unserer Einrichtung!
Einen wunderschönen guten Abend zusammen! Lieber Herr Bilz, liebe Mitglieder des Vorstands der Bilzstiftung, liebe Frau Schayani, liebe Gäste und liebes In-Haus-Team!
Vielen Dank – vielen Dank für diese Auszeichnung und die Wertschätzung unseres Tuns. Wir sind fröhlich, überrascht und sehr glücklich, dass unsere an sich wirklich kleine und junge Organisation den Weg in Ihr Blickfeld und in Ihr Herz gefunden hat!
Wir werden heute für unsere Arbeit und unser Engagement ausgezeichnet und ich möchte einen kleinen Blick in die Zukunft wagen.
Kommen wir zunächst zum Preisgeld – dieses möchten wir für unsere Ausstattung verwenden, in dem wir alle Räume mit gemütlichen und praktischen Stühlen versehen – dann klappt´s auch mit dem Genitiv.
Schon immer, aber besonders gerade, beschäftigt uns die Frage – wie kann es weitergehen? Oft werden wir gefragt – ja, was macht ihr denn im Integrationshaus? Wir antworten: Die Welt verbessern! Und damit meinen wir, die Welt gerechter zu machen – für alle!
Und diesen Wunsch, etwas zum Guten zu bewegen, den hatten wir von Anfang an. Es stand für uns immer außer Frage, das sich für etwas Gutes einzusetzen immer richtig ist. Václav Havel, der Menschenrechtler, Revolutionsführer und Staatspräsident, träumte schon als Kind davon, dass Fabriken nicht Güter, sondern das „Gute“ herstellen sollten. Seine Botschaft, die sich in der Charta 77 wiederfindet – „Wahrheit und Liebe müssen siegen über Lügen und Hass“ – soll auch unser Leitspruch sein.
Die Macht der Machtlosen, der Titel eines seiner Essays, hat mich gerade in der letzten Zeit beschäftigt. In unserer täglichen Arbeit unterstützen wir Menschen und auch uns selbst in alltäglichen Fragen und Herausforderungen.
Unserem Anspruch, Mut zu machen, den eigenen Weg zu finden und zu gehen, Menschen zu stärken – gegen die schier unmöglichen – und damit meine ich im Sinne von nicht möglich und unmöglich – Menschen gegen diese unmöglichen Anforderungen verschiedener Seiten zu stärken, beständig zu sein und uns selbst treu zu bleiben, diesem Anspruch werden wir selten gerecht. Immer mehr habe ich ein „ungutes“ Gefühl dabei, wenn ich mir die Strukturen anschaue, in denen wir uns, ja ich möchte sagen, arrangieren müssen – als Organisation, aber auch als Menschen. Denn wir sind mit tausenden Dingen nicht einverstanden, versuchen Umwege zu finden, um Möglichkeiten für möglichst Viele zu schaffen, führen Gespräche, um uns in unserem Unmut aufzufangen, entwickeln Gedanken und Ideen – und dann? Auf einmal ein Stopp – erschlagen von der Macht der Mächtigen, und ich sage bewusst „der Mächtigen“, denn alle Ungerechtigkeiten sind menschengemacht, in den meisten Fällen von Männern mit Macht. Es ist uns bewusst, dass die Mächtigen ohne uns „Machtlose“ nicht so mächtig wären. Und das „ungute“ Gefühl basiert darin, dass ich manchmal denke, dass wir bestimmt in einzelnen Fällen Mut machen, Menschen stärken und auf jeden Fall unterstützen – aber für was? Für Strukturen, die wir selbst nicht gutheißen, unter denen wir selbst leiden. Die Ungerechtigkeiten bleiben bestehen und scheinen nicht aus der Welt zu denken, sie hatten ja auch eine lange Zeit, sich zu entwickeln und zu etablieren.
Oft wird gesagt „Aber ihr bekommt doch Förderungen und habt damit auch die Verpflichtung den Anforderungen der Gebenden Folge zu leisten.“ Ich denke, kein Staat kann sich Soziale Arbeit nicht nicht leisten. Und was bedeutet Soziale Arbeit? Soziale Arbeit heißt vor allem Menschen zusammenzubringen, sie nicht allein zu lassen, sie einzuladen, sich zu vernetzen, sich zu engagieren und sich solidarisch mit anderen zu verhalten – vor allem aber bedeutet Soziale Arbeit, Menschen darin zu stärken, die Freiheit für ihre eigene Lebensbiographie zu erlangen. Soziale Arbeit bedeutet nicht, Menschen kompetent zu machen, damit sie sich in die vermeintlich festgeschriebenen Strukturen eingliedern. Ein Teil von etwas zu sein, was mensch selbst nicht mitgestaltet hat und in den meisten Fälle auch nur sehr bedingt mitgestalten kann – wer möchte das?
Für die Zukunft wünsche ich mir, dass wir den Mut und die Phantasie haben, außerhalb des Bestehenden zu denken und zu handeln. Eine Welt zu denken, die Gerechtigkeit nicht im Bezug auf die bestehenden Ungerechtigkeiten schafft, sondern sich für eine Welt zu engagieren, die gerecht ist – also auf Gerechtigkeit und nicht auf Ungerechtigkeit basiert. Was das heißt? Dazu lade ich alle ein – mit zu denken, mit zu handeln und es zu versuchen – denn was soll schon passieren? Das Schlimmste, was uns hier im Reichen Weißen Norden passieren kann, ist, dass wir unsere Illusionen verlieren – aber die meisten Menschen werden ohne die Möglichkeit eine Illusion zu entwickeln, geboren. Also lasst es uns einfach mal ausprobieren.
Wenn wir also in Zukunft gefragt werden „Was macht ihr eigentlich im Integrationshaus?“ Dann werden wir antworten – Die Welt verändern!
Mit einer Zeile aus dem Gedicht „Dem Frieden entgegen“ von Hermann Hesse, möchte ich schließen.
„Wollet! Hoffet! Liebet! Und die Erde gehört euch wieder.“
Vielen Dank!