Nachhaltigkeit und Diversitätssensibilität in soziokulturellen Projekten

Beim nachhaltigen Umgang mit Ressourcen geht es nicht nur um materielle Ressourcen, sondern auch um ideelle Ressourcen. Dabei wollten wir vor allem praktische Handlungsanregungen zur Umwelt-Nachhaltigkeit für kleinere, durch das Engagement von Menschen mit Migrationsbiographie geprägte Einrichtungen zusammentragen, und in Workshops zur Diskussion stellen und Zukunftsperspektiven entwickeln.

Nachhaltigkeit stand bei unserem Vorhaben „Die Natur der Soziokultur“ im Fokus. Wir hatten uns vorgenommen, nachzuforschen, was Nachhaltigkeit in Bezug auf Partizipation und Diversität bedeuten kann. Zum anderen sollte auch in Bezug auf Ressourcennutzungen geschaut werden, wie in Organisationen ein sorgsamer Umgang mit Ressourcen etabliert werden kann. Beim nachhaltigen Umgang mit Ressourcen geht es nicht nur um materielle Ressourcen, sondern auch um ideelle Ressourcen. Dabei wollten wir vor allem praktische Handlungsanregungen zur Umwelt-Nachhaltigkeit für kleinere, durch das Engagement von Menschen mit Migrationsbiographie geprägte Einrichtungen zusammentragen, und in Workshops zur Diskussion stellen und Zukunftsperspektiven entwickeln.

Warum haben wir diesen Schwerpunkt gelegt? Hintergrund der Idee ist die Erfahrung der letzten Jahre: Zahlreiche Vorhaben, die von Institutionen oder/und Stadtverwaltungen gefördert werden bzw. in Kooperation mit migrantischen Einrichtungen umgesetzt werden, sind eher einmalig. Oft wird nicht transparent, welche Lern- und Veränderungsprozesse ggf. angestoßen wurden, welche Ideen nachhaltig wirken und welche Strategie sich als erfolgreich für die Förderung von Partizipation und Diversität erwiesen haben. Denn das Thema Nachhaltigkeit spielt immer eine Rolle, zumindest in den Projektbeschreibungen. Doch die Realität der dauernden Projektarbeiten zeigt: Nachhaltigkeit praktisch umzusetzen, und die aus den Projekten entstandenen Erkenntnisse in Organisationsstrukturen und in strategische Veränderungen zu transformieren, funktioniert nur bedingt. Wie können also Lern- und Veränderungsprozesse und Strategie für die Förderung von Partizipation und Diversität nachhaltig wirken? In unserem Vorhaben haben wir verschiedene Recherchearbeiten zum Thema Nachhaltigkeit geführt, Interviews geführt und die Strategien aus den Projektergebnisse von „Jetzt in Zukunft: Nachhaltigkeitskultur entwickeln. Praxis und Perspektiven soziokultureller Zentren“ auf die Praxis kleinere, durch das Engagement von Menschen mit Migrationsbiographie geprägte Organisationen übertragen.

Das Kennzeichen von Nachhaltigkeit ist die Prozesshaftigkeit. Das ist gleichzeitig Chance als auch Herausforderung. Es geht nicht um kurzfristige Lösungen, und es braucht einen langen Atem und Durchhaltevermögen, damit wir in Vielfalt sein können. Deswegen verstehen wir die Publikation als einen von vielen Impulsen für ein lebenswertes und weltschätzendes Zusammenleben in und durch Vielfalt.

Im Rahmen unserer Recherchearbeiten konnten wir einige Punkte herausarbeiten, die zur Nachhaltigkeit in soziokulturellen Projekten führen kann. Dabei verstehen wir Nachhaltigkeit in soziokulturellen Projekten auf die Fähigkeit von Projektbeteiligten und Projektorganisationen, langfristig positive Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Umwelt zu erzielen. Es geht um die Frage, wie Projekte so gestaltet werden können, dass sie über einen längeren Zeitraum hinweg Bestand haben und einen nachhaltigen Nutzen für die Gemeinschaft bieten. Die Projektziele schlagen sie in sozialer, kultureller und Umwelt-Nachhaltigkeit nieder.

  • Soziale Nachhaltigkeit: Das Projekt sollte darauf abzielen, soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit und Teilhabe zu fördern. Es sollte die Bedürfnisse und Interessen der Beteiligten und des (unmittelbaren) Sozialraumes berücksichtigen und darauf abzielen, langfristige positive Veränderungen in den sozialen Strukturen und Beziehungen untereinander zu bewirken.
  • Kulturelle Nachhaltigkeit: Das Projekt sollte die kulturelle Vielfalt und Identität der Beteiligten und des (unmittelbaren) Sozialraumes respektieren und fördern. Es sollte dazu beitragen, kulturelles Erbe der Beteiligten zu bewahren und sichtbar zu machen, diverse künstlerische Ausdrucksformen zu unterstützen und den intersektionalen Dialog zu fördern.
  • Umwelt-Nachhaltigkeit: Das Projekt sollte im praktischen Sinne umweltfreundlich sein und darauf abzielen, die natürlichen Ressourcen zu schonen und Umweltauswirkungen zu minimieren. Es sollte nachhaltige Praktiken fördern, wie z.B. den Einsatz erneuerbarer Energien (Ökostrom), die Reduzierung von Abfall, das gemeinsame Nutzen von Ressourcen fördern und damit zum Schutz der natürlichen Umwelt beitragen.

Um Nachhaltigkeit in soziokulturellen Projekten zu fördern, sollten möglichst viele der unmittelbar und mittelbar Beteiligten aktiv in den Planungs- und Umsetzungsprozess des Projekts einbezogen werden. Durch die Einbeziehung können die Bedürfnisse und Interessen aller Beteiligten und auch des (unmittelbaren) Sozialraums besser berücksichtigt werden. Weiterhin können dann auch Fähigkeiten und Ressourcen der Beteiligten gestärkt werden, die Projektziele auch unabhängig von Organisationen langfristig selbstständig weiterzuführen und weiterzuentwickeln.

Im Rahmen des Vorhabens haben wir festgestellt, dass die folgenden sieben Faktoren zur Nachhaltigkeit in soziokulturellen Projekten beitragen können.

  1. Inklusion und Vielfalt: Die Projekte sollten intersektionell ausgerichtet sein und möglichst verschiedene Beteiligungsgruppen einbeziehen und Vielfalt fördern, um Diskriminierung und soziale Ungleichheit zu bekämpfen. Die aktive Beteiligung ist dabei der wichtigste und gleichzeitig der herausforderndste Punkt für die Nachhaltigkeit von Projekten. Wenn die Menschen, die an einem Projekt beteiligt sind, in den Planungs- und Umsetzungsprozess einbezogen werden, ist es wahrscheinlicher, dass sie Vertrauen aufbauen können, Anerkennung und Selbstwirksamkeit erfahren und motiviert werden, die Projektziele auch über das Vorhaben hinaus zu verfolgen.
  2. Bildung und Aufklärung: Die Projekte sollten darauf abzielen, das Bewusstsein und das Verständnis der Menschen für bestimmte soziale und kulturelle Themen zu erhöhen. Durch die Förderung von Bildung und Aufklärung können Menschen dazu befähigt werden, nachhaltige Veränderungen in ihrem eigenen Leben und in ihren (unmittelbaren) Sozialräumen vorzunehmen.
  3. Langfristige Auswirkungen: Die Projekte sollten nicht nur kurzfristige Lösungen und Angebote bieten, sondern auch langfristige Veränderungen und Verbesserungen anstreben. Deswegen sollten Projekte von Anfang an mit Blick auf ihre langfristigen Auswirkungen und Ziele geplant werden. Dies kann dazu beitragen, dass sie über ihre ursprüngliche Laufzeit hinaus Bestand haben und weiterhin positive Auswirkungen haben.
  4. Nachhaltige Finanzierung: Die Suche nach nachhaltigen Finanzierungsquellen, wie z.B. langfristige Zuschüsse, Spenden oder Strukturförderungen, kann dazu beitragen, dass ein Projekt über seine ursprüngliche Laufzeit hinaus fortgesetzt werden kann. Insbesondere wenn es sich bei Projektvorhaben um Regelangebote handelt wie bspw. regelmäßige soziokulturelle Veranstaltungen in Sozialräumen (Programmarbeit), ist es notwendig eine langfristige Finanzierungsform zu finden. Weiterhin motiviert es auch Engagierte, weiter an den Themenschwerpunkte zu arbeite und führt nicht zur Ermüdung und Desillusion, wenn Projekte nicht gefördert werden können oder wenn immer wieder neue Anträge geschrieben werden müssen.
  5. Ressourceneffizienz: Die Projekte sollten effizient mit Ressourcen umgehen und versuchen, Abfall und Umweltverschmutzung zu minimieren.
  6. Partnerschaften und Zusammenarbeit: Die Projekte sollten Netzwerkarbeit und Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren fördern, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Gleichzeitig können durch Kooperationen Ressourcen gebündelt und gemeinsame Ziele wirksamer erreicht werden.
  7. Kontinuierliche Verbesserung: Die Projekte sollten regelmäßig überprüft und verbessert werden, um ihre Wirksamkeit und Nachhaltigkeit zu gewährleisten.

Wie können also Lern- und Veränderungsprozesse und Strategie für die Förderung von Partizipation und Diversität nachhaltig wirken?
Diversitätssensibilität bezieht sich auf die Fähigkeit, die Vielfalt von Menschen anzuerkennen, zu respektieren und wertzuschätzen. Es geht darum, sich bewusst zu sein, dass Menschen unterschiedliche Hintergründe, Erfahrungen, Perspektiven, Fähigkeiten, Identitäten und Bedürfnisse haben.
Diversitätssensibilität beinhaltet daher:
Anerkennung von Vielfalt: Es geht darum, die Existenz und Bedeutung von Unterschieden anzuerkennen, sei es in Bezug auf Geschlecht, Alter, Ethnizität, Religion, sexuelle Orientierung, Be_hinderung oder andere Merkmale. Es bedeutet, dass diese Unterschiede nicht als Hindernisse oder Defizite betrachtet werden, sondern als Bereicherung.
Respekt und Wertschätzung: Diversitätssensibilität beinhaltet den Respekt und die Wertschätzung für die individuellen Unterschiede und die Einzigartigkeit jedes Menschen. Es bedeutet, Rassismus, Vorurteile und Diskriminierung abzulehnen und stattdessen eine inklusive und respektvolle Umgebung zu schaffen.
Sensibilität für Diskriminierung und Ungleichheit: Diversitätssensibilität beinhaltet die Sensibilität für Diskriminierung und Ungleichheit, die aufgrund von Rassismen, Vorurteilen und Stereotypen auftreten können.
Empathie und Perspektivenvielfalt: Diversitätssensibilität beinhaltet die Fähigkeit, sich in die Perspektiven und Erfahrungen anderer Menschen hineinzuversetzen. Es geht darum, die Vielfalt der Sichtweisen zu erkennen und anzuerkennen, um ein besseres Verständnis und eine bessere Zusammenarbeit zu ermöglichen.
Chancengleichheit und Gerechtigkeit: Diversitätssensibilität beinhaltet die Förderung von Chancengleichheit und Gerechtigkeit für alle Menschen, unabhängig von ihren Merkmalen oder Hintergründen. Es geht darum, Barrieren abzubauen und gleiche Möglichkeiten für alle zu schaffen.

Bei unserer Recherche haben wir festgestellt, dass gerade in den letzten fünf Jahren viele durch das Engagement von Menschen mit Migrationsbiographie geprägte Einrichtungen vermehrt wahrgenommen und als Kooperationspartner angefragt wurden. Allerdings mussten wir auch feststellen, dass diese Kooperation zu 90 % als ehrenamtliches Engagement angefragt wurde und/oder „lediglich“ die Zielgruppen der jeweiligen Organisationen als Projektzielgruppen hinzugewonnen werden sollten. Das Engagement, aber auch die Expertise wurden nicht wertgeschätzt und in den meisten Fällen gar nicht erst als Ressource im Bereich der Soziokultur wahrgenommen. Dennoch haben sich die meisten Angefragten auf die Kooperation eingelassen, aus Interesse an den Projektinhalten und aus der Hoffnung, dass sich daraus weitere Kooperationen und strukturelle Beteiligungen an Projekten ergeben könnten.

„Quoten, Checklisten, Sonderprojekte, Schwerpunkteditionen dienen Kultureinrichtungen hervorragend dazu, sich zu profilieren und die eigene Diversität zu inszenieren. Echte Vielfalt wird dabei höchstens als sporadischer Nebeneffekt erreicht“ (Estis 2021).

In der Praxis existieren also verschiedene „Werkzeuge“, um Vielfalt zu fördern, aber im Projektalltag greifen diese nicht als Strategie für eine tatsächliche Veränderung, sondern können lediglich kurzfristige, an der Oberfläche bleibende Akzente setzen. Die notwendigen Lern- und Veränderungsprozesse vollziehen sich also nicht als festgeschriebene und gelebte Strategie, sondern eher durch Zufalls, oft in Verbindung mit einzelnen Personen oder Initiativen, die für einen bestimmten Zeitraum einen exklusiven Zugang zu etablierteren Einrichtungen erhalten. Es braucht also langfristige Strategien, um Diversität als als pursuit of happiness zu erleben. Im Rahmen unseres Projektes sind wir auf viele verschiedene Strategien in der Theorie gestoßen. Es gibt also zahlreiche Ansätze, sie müssten „nur“ umgesetzt werden, und zwar als Strategie. Deswegen haben wir bei der Recherche geschaut, was noch förderlich für die Nachhaltigkeit in soziokulturellen Projekten braucht.

Die in den folgenden drei Kapiteln beschriebenen Faktoren, Unsicherheitstoleranz, Resilienz und Selbstverantwortung haben sich durch die Recherchearbeiten, die Diskussionen in den Workshops und in der Projektauswertung als Chance und Herausforderung herauskristallisiert, weswegen wir diese drei als Impulse zur Förderung der Nachhaltigkeit in soziokulturellen Projekten zur Diskussion stellen möchten. Im Anschluss daran haben wir die zwei Interviews veröffentlicht, die wir mit den Projektbeteiligten Dorsa Billstein und Carla de Andrade Hurst geführt haben. Daraus ergeben sich ebenso Impulse für die praktische Arbeit.

Dieser Artikel ist Teil einer Publikation, die 2023 vom In-Haus e.V. veröffentlicht wurde. Für weitere Informationen und um dieses Projekt einzusehen, klicken Sie hier.

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